Geschichte | Jugendbildungsstätte Junker Jörg
Geschichte der Jugendbildungsstätte Junker Jörg
Das Gebäude der Jugendbildungsstätte Junker Jörg wurde um 1880 als Hotel und Ausflugslokal am Fuße der Wartburg erbaut. Bereits damals trug es den Tarnnamen Luthers – „Junker Jörg“. 1920 wurde das Haus von Guida Diehl gekauft und fortan als Zentrale der evangelischen Neulandbewegung genutzt. Diese vertrat zunächst konservativ-nationalistische und schließlich rassistische, antidemokratische Positionen der Ideologie des Nationalsozialismus. In dieser Zeit erhielt das Gebäude den Namen „Neulandhaus“ und diente unter anderem als Tagungsort für den jährlich stattfindenden „Neulandtag“ der Bewegung. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen (heute EKM) das Haus und richtete in den 1980ern eine Jugendbildungsstätte ein.
Im Mai 2016 wurde das Neulandhaus nach umfangreicher Renovierung und im Zuge pädagogischer Neukonzeption wiedereröffnet und in „Jugendbildungsstätte Junker Jörg“ umbenannt. Da die politische Orientierung der ehemaligen Neulandbewegung nicht mit dem inhaltlichen Anspruch der Jugendbildungsstätte vereinbar ist, wurde an den ursprünglichen Namen des Hauses „Hotel Junker Jörg“ angeknüpft. Der Name Junker Jörg stellt den Bezug zum jungen und widerständigen Luther her, der für seine Überzeugungen einstand.
Zeittafel
1880 | Bau des Hotels und Ausflugslokals „Junker Jörg“ |
1920 | Einrichtung der Zentrale der Neulandbewegung Umbenennung in „Neulandhaus“ |
1945 | Kauf des Gebäudes durch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen |
1980er | Einrichtung der Jugendbildungsstätte im Neulandhaus |
2016 | Wiedereröffnung und Umbenennung in „Jugendbildungsstätte Junker Jörg“ |
Junker Jörg: Martin Luther inkognito auf der Wartburg
Woher hat die Jugendbildungsstätte ihren Namen und welche Geschichte verbirgt sich hinter diesem? Junker Jörg, das war niemand anderes als der berühmte Theologe und Reformator Martin Luther. Den unscheinbaren Tarnnamen verwendete er während seiner vermeintlichen „Gefangenschaft“ auf der Wartburg im Jahre 1521, um sich unerkannt vor seinen Verfolgern verstecken zu können.
Luthers Anfänge
Entgegen seiner ursprünglichen Pläne, Jurist zu werden, trat Martin Luther im Jahre 1505 in das Augustinerkloster in Erfurt ein. Dort wurde er im Februar 1507 zum Priester geweiht und widmete sein Leben nun vollends der Religion. Nach seinem Theologiestudium begann er 1512 in Wittenberg als Professor zu lehren. Dabei hinterfragte er die gängigen Praktiken und Handlungen der katholischen Kirche in Rom und beschäftigte sich mit der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes sowie dem menschlichen Handeln. Anders als die Kirche, predigte Luther von einem gütigen und barmherzigen Gott, der nicht rachsüchtig und wütend war. Darüber hinaus stellte er die Ablassbriefe und die Praxis der katholischen Kirche in Frage. Seine reformatorischen Ideen zogen den Zorn des Papstes und der Kirchenoberhäupter auf sich.
Reformen und Konflikt mit der Kirche
Am 31. Oktober 1517 soll er seine berühmten 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen haben. In diesen Thesen forderte er unter anderem, dass nur das Wort Gottes in der Bibel als Richtlinie für die Menschen gelten und über den kirchlichen Traditionen stehen sollte. Somit stellte er die Autorität der katholischen Kirche endgültig in Frage, sodass Papst Leo X. im Juni 1518 den Ketzerprozess gegen Luther eröffnete. Luther weigerte sich jedoch, seine Thesen zu widerrufen. Seine Schriften verbreiteten sich schnell und bescherten ihm viele Anhänger. Um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen, exkommunizierte ihn die katholische Kirche am 3. Januar 1521. Nachdem Luther seine Thesen und Schriften immer noch nicht widerrufen wollte, wurde über ihn und seine Sympathisanten am 26. Mai 1521 das Wormser Edikt durch Karl V erlassen. Diese Reichsacht untersagte Bürgern im gesamten Heiligen Römischen Reich, Luther zu unterstützen oder seine Schriften zu lesen und zu verbreiten. Zudem verlangte es die Auslieferung Luthers an den Kaiser und den Papst in Rom.
Aufenthalt auf der Wartburg
Um Luther zu schützen, ließ ihn sein Landesherr, Kurfürst Friedrich von Sachsen, heimlich entführen und auf die Wartburg nach Eisenach bringen. So stellte er den Schutz und das Wohl des Geächteten sicher und wahrte ihn in seiner Obhut.
Das Exil als Junker Jörg auf der Wartburg war eine entscheidende Phase von historischer Bedeutung. Luther lebte dort von 1521 bis 1522 unerkannt und studierte weiterhin die Bibel und das Wort Gottes. Er übersetzte das Neue Testament in nur 11 Wochen ins Deutsche.. Eine handwerklich wie auch sprachlich beeindruckende Leistung, denn Luther achtete beim Übersetzen darauf, dass jeder die Bibel würde lesen können. Er wollte dem einfachen Volk „aufs Maul schauen“, Formulierungen finden, die der alltäglichen Sprache entstammten und von allen verstanden werden konnten. Mit seiner Übersetzung schuf er die Grundlage für eine einheitliche Sprache der Deutschen. Trotz der herausragenden Ereignisse auf der Wartburg war die Zeit unter dem Decknamen Junker Jörg durchaus schwierig und von persönlichen Niederschlägen begleitet. Luther hatte Schwierigkeiten, sich einzugewöhnen und nicht frei handeln zu können. Nach zehn Monaten verließ er die Wartburg schließlich in Richtung Wittenberg und kehrte nie wieder zurück. Seine Errungenschaften aus dieser Zeit machen ihn jedoch unvergesslich und haben ein großes Erbe hinterlassen.