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Demokratiebildung mit Konfis

Wie wollen wir miteinander leben? – Das ist die zentrale Frage, die in der Demokratie immer wieder ausgehandelt werden muss. Die Übung „Das Haus meiner Träume“ aus dem Demokratie-Lernprogramm Betzavta des ADAM Instituts für Demokratie und Frieden in Jerusalem macht wie unter einem Brennglas deutlich, dass diese Aushandlung nicht konfliktfrei sein kann. Entscheidend ist, wie man mit Konflikten umgeht. Geht es dabei um die Ermöglichung der größtmöglichen Freiheit für alle oder die gewaltvolle Durchsetzung eigener Interessen?

16 Konfirmandinnen und Konfirmanden aus dem Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeindeverband Lobeda waren am vergangenen Wochenende zur Konfi-Rüste in unserer Jugendbildungsstätte zu Gast und ließen sich auf die Betzavta-Übung ein.

Zunächst klingt die Aufgabe harmlos: „Mal dein Traumhaus. Nutz das ganze Blatt und lass der Fantasie freien Lauf. Wie möchtest du leben?“ Danach geht es in Kleingruppen. Scheren und Kleber werden verteilt und der Auftrag: „Baut aus euren individuellen Wohnträumen ein gemeinsames Haus.“ Zwar steht ein größeres Blatt zur Verfügung. Es reicht aber nicht aus, um alle Traumhäuser zu fassen. Bedürfnisse und Träume werden also geteilt, verändert, angepasst, zerschnitten und neu zusammengesetzt. Doch auch hier endet die Übung nicht. In der letzten Runde geht es zurück ins Plenum. Wieder ein leeres Blatt – nur unwesentlich größer als das vorherige – Scheren, Kleber und die Ansagt: „20 Minuten Zeit – baut jetzt alle zusammen ein Haus.“ Eine Gruppe fotografiert schnell ihr Ergebnis: „Das ist so schön geworden!“ Celine schreit: „Ey, nicht einfach schneiden! Damit habe ich mir so viel Mühe gegeben.“ Ralf lehnt sich entspannt zurück. Sein Berg inklusive Höhle klebt schon in der Mitte des Blattes. Theo meint: „Wir können doch den Sternenhimmel und das Bällebad abschneiden. Dann haben wir Platz für ein weiteres Haus.“ Lauter Protest von mehreren Seiten. Paul setzt sich von der Gruppe weg: „Das ist mir zu viel und zu voll. Und an Sicherheit denkt auch keiner!“ Sein Rückzug fällt kaum auf, denn Theo hat Zoes Tunnel zerschnitten und es gibt keine Stifte mehr, um den Schaden zu reparieren. Nach turbulenten 20 Minuten klebt eine gemeinsame Siedlung auf dem Blatt.

Was hatte diese trubelige Kreativübung mit Demokratie zu tun? In der Reflexion wird sortiert. Warum lief es in der kleinen Gruppe besser als in der Großen? Es lag daran, dass mehr Zeit war, sich gegenseitig zuzuhören und dadurch alle sagen konnten, was ihnen wichtig ist, ist die einhellige Antwort. Es wird auch deutlich, was das zentrale Dilemma war: Der Großteil der Gruppe konnte sich gut auf eine gemeinsame, bunte und vielfältige Siedlung einigen und hatte Spaß daran, Gemeinschaftsorte zu gestalten. Aber drei in der Gruppe wollten vor allem Privatsphäre und Ruhe. Dafür konnte keine Lösung gefunden werden, außer, dass die drei für sich entschieden, nicht in die fiktive Siedlung zu ziehen. Es zeigt sich auch: Wohnraum ist ein wertvolles Gut. Wer wie leben kann und wie viele Bedürfnisse der eigene Wohnort erfüllt, ist eine Frage von Ressourcen. In der Übung bestimmten Durchsetzungsvermögen, Schnelligkeit und Kreativität, wieviel vom Eigenen auf dem gemeinsamen Blatt landete. Im echten Leben geht es um Geld, Netzwerke und Macht.

Wie wollen wir also miteinander leben? Die Konfis aus Lobeda haben ein paar neue Ideen aus dem Junker Jörg mitgenommen, wie man diese Aushandlung gestalten kann und worauf es beim demokratischen Miteinander ankommt: um Achtsamkeit, klare Kommunikation und Gewaltfreiheit in der (unvermeidbaren) Auseinandersetzung.